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Magazin für Filmkritik

Aus dem Spiel ausbrechen – „House of the Dragon“ (Staffel 2)

Insgesamt gefällt mir die erste Staffel mit ihrer zeitlichen Raffung, den charakterlichen Entwicklungen und Höhepunkten etwas besser als diese Fortführung. Trotzdem ist das immer noch wohltuend komplexe, entschleunigte Serienunterhaltung, die ich mir gerne auf die Netzhaut lege. Vor allem beschleicht einen dabei selten das Gefühl, als Zuschauer für dumm gehalten zu werden. Hier dürfen Figuren weiterhin widersprüchlich und irrational sein, ohne an charakterlicher Konsistenz einzubüßen. Dass ich für so etwas dankbar bin, dürfte aber eventuell auch damit zusammenhängen, dass ich zuvor aus einer Sichtung der Rebel Moon-DCs kam.

Zu den spannendsten Figurenentwicklungen dieser Staffel zählt jene von Alicent Hightower (Olivia Cooke), die im Ränkespiel in King’s Landing als Frau ohne legitimen Machtanspruch zusehends isoliert dasteht. Über ihre existenzielle, emotionale Krise findet House of the Dragon zu neuen Facetten und vertieft zugleich eine der zentralen Figuren der ersten Staffel. Wenn sie ihren Bruder nach ihrem mittlerweile in der Heimat erwachsengewordenen Sohn Daeron fragt und ihr dieser versichert, dass dieser im Gegensatz zu seinen Brüdern zu einem gütigen Menschen herangereift ist, dann geht es in diesem epischen Drachenkrieg auch um die universellen, menschlichen Lebensfragen einer Mutter, die im Rückblick nach den eigenen Verfehlungen forscht. Und wenn sie sich schließlich vom machtpolitischen Konflikt abwendet, gibt sie sogar eine völlig neue Perspektive auf die Geschehnisse der Serie frei. Eine, die danach fragt, ob es nicht auch einen Weg aus dem System, aus dem Spiel heraus geben kann. Das ist ein zentrales Motiv dieser Staffel, in der sich die Figuren immer wieder ihrer eigenen Ohnmacht und Gefangenheit bewusst werden.

Am Grunde von Martins Vorlagen und ihren Adaptionen steht ein existenzialistischer Gedanke: Was ist vorherbestimmt? Wie frei sind meine Entscheidungen? Welchen Unterschied kann ich machen? Bin ich nur eine Figur auf einem Schachbrett, nur ein Spielstein unter vielen? Oder bin ich Herr meiner Selbst? Die Figuren von Westeros sind in dieser zweiten Staffel mehr denn je am hadern mit sich und ihren Entscheidungen, aber auch mit den Zwängen der Macht. Queen Rhaenyra (Emma D’Arcy) versucht verzweifelt an den vorsichtigen, bedächtigen Politikstil ihres Vaters anzuschließen, ohne je diesselben Bedingungen vorzufinden. Nun, wo alle Versuche einer friedlichen Erbfolge nach und nach scheitern, muss sie auch ihre Politik neu ausrichten. Emma D’Arcy spielt diese schwierige Figur mit einer Mischung aus aristokratischer Kühle und menschlicher Unsicherheit und wandelt gekonnt zwischen den Blicken des verängstigen Mädchens und der resoluten Herrscherin. Für mich bildet sie in ihrer Rätselhaftigkeit den Kompass und das Herzstück dieser Serie.

Eine erfreuliche Ergänzung in ihrem Fanclub bildet die mysteriöse Mysaria, gespielt von Sonoya Mizuno, deren Stimme und idiosynkratische Sprechmelodie mich sofort in ihren Bann gezogen hat. Ihre Rolle in den Unruhen von King’s Landing finde ich dagegen etwas sehr nebulös, so als ließe sich ein Aufstand schlicht über ein paar Gerüchte in der Taverne forcieren. Auch die sehr isolierte Stellung von Daemon (Matt Smith), der die gesamte Staffel über in den Ruinen von Harrenhaal herumstrolcht und über die eigene Vergangenheit sinniert, beraubt der Serie eines der dynamischsten Elemente aus Staffel 1. Hinzu kommt die schlimme Ergänzung von Ulf (Tom Bennett), dem geltungssüchtigen Trottel, der unverhofft zum Drachenreiter aufsteigt, und wohl Comedy reinbringen soll, wo keine Comedy gebraucht wird. Ich liebe ja gerade die royale Strenge und aristokratischen Etiketten. Nun Ulf am selben Tisch wie Rhaenyra und ihre Kinder zu sehen, fühlt sich einfach falsch an. Genauso falsch wie die drei Drachenreiter, die Team Red innerhalb von zwei Folgen aus dem Hut zaubert und die das Kräfteverhältnis im Spiel um den Thron mit einem Mal fundamental verschieben.

Doch trotz dieser (gerade zum sehr bedächtigen, unterwältigenden Finale hin) gewichtigen Kritikpunkte ist das schon Unterhaltung, die man sich gefallen lassen kann. Drachen sehen nirgends besser aus. Und die Macher scheinen sich sehr bewusst dazu entscheiden zu haben, die Figuren zuerst sorgsam auf dem Schachbrett anzuordnen, ehe sie den Tanz der Drachen endgültig beginnen lassen. Auch das Innenleben, die Motivationen und Sehnsüchte des breiten Figurenensembles wurden nun ausreichend ausgeleuchtet, um für den kommenden Bürgerkrieg jede Menge emotionale Fallhöhe zu schaffen. Ich warte nur noch auf den freien Fall.


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