Bildsucht

Magazin für Filmkritik

Eigene Wege gehen – Über Greta Gerwigs Meisterwerk „Little Women“

Was für ein Film! – Üppig ausgestattet, bisweilen Bilderbuch-artig pittoresk, dann wieder in starre, farblich entsättigte Einstellungen gefasst. Zugleich mit einer spielerischen Leichtigkeit montiert und ganz mühelos zwischen den verschiedenen Zeitebenen wandelnd – in etwa so wie die vier Schwestern im heimischen Nest erst sich und im Etiketten-reichen Gesellschaftstanz schließlich ihre Herzbuben umkreisen. Das hat was von der eleganten, scheinbar (!) mühelosen Montagekunst eines Olivier Assayas, einer Mia Hansen-Løve oder eines Hirokazu Kore-eda. Nicht einmal die Titeleinblendung des Handlungsortes Massachusetts (gesprochen: ma·suh·choo·suhts) und der einmalige Hinweis auf die zeitlichen Ebenen (sieben Jahre zuvor) wären nötig gewesen, so natürlich und fließend ergibt sich die erzählerische Struktur aus den Figuren und ihren Leben.

Und diese Figuren! Echte Charaktere, verschieden in ihrem Habitus, ihrem Temperament, ihren Träumen und den Mitteln, mit denen sie diese Träume zu verwirklichen gedenken. Alle schön auf ihre Art, also schön im Sinne dieser Sache, die jeden Menschen von innen zum leuchten bringt (das klingt esoterischer als es gemeint ist) – schön, also, auch auf einer filmischen Ebene; gute Gesichter, die Nuancen zum Ausdruck bringen können, denen aber die Freude am Spiel miteinander in jeder Zeile nachempfunden werden kann; hier wird sich unterbrochen, die Dialogzeilen überlappen und kreuzen sich, so lebendig sprudeln sie aus den kleinen Frauen, die alle auf ihre Weise den Herausforderungen des Erwachsenwerdens zu trotzen versuchen, heraus.

Schreib dich frei

Der Film ist pittoresk und, wie gesagt, üppig ausgestattet, aber das nicht auf eine piefige, staubige Art, so wie es Kostümfilme und Literaturverfilmungen dieser Art beizeiten zu sein pflegen, sondern eher auf eine Art, die der verschwenderischen, elektrisierenden Lebensfreude gleicht, die Greta Gerwig in Noah Baumbachs Frances Ha in der titel-gebenden Hauptfigur einst selbst verkörperte (den Lauf ihrer Figur referenziert sie ästhetisch am Anfang dieses Filmes). Dies nicht nur ein hervorragender Weihnachtsfilm (also ein Film über familiäre Bande und Nestwärme), sondern auch ein Film über das Schreiben. Im Rahmen dieses Themenkomplexes offeriert Little Women Schriftsteller-(Alb-)Träume der intensivsten Art. Der Albtraum: das Verbrennen von Jos (Saoirse Ronan) Manuskript durch ihre Schwester Amy (Florence Pugh) – da läuft es einem eiskalt den Rücken herunter, Horror in seiner wahrsten Form! Der Traum: die handgemachte Bindung ihres Buches zum Ende des Filmes hin. Shoutout an Gutenberg!

Das Schreiben ist hier ein emanzipatorischer Akt, ein Mittel der Befreiung und Selbstvergewisserung und stellt gleichzeitig einen Raum der Reflexion und der Kritik an den ungerechten gesellschaftlichen Verhältnissen bereit. Die gezeichnete Ambivalenz des Schreibens als Ausbruch und Freiheitsbeweis und der gleichzeitigen Einsamkeit, die diese Flucht bedeuten kann, vermag der Film trotz seiner Motivfülle auch noch zu durchschauen. Zum Abschluss noch, pro Formalia quasi, der Hinweis, dass ausnahmslos alle Darsteller ganz großartig sind. Hier überschlägt sich das Talent förmlich, neben Grande Dame Meryl Streep und Grandseigneur Chris Cooper trumpfen aufstrebende Nachwuchstalente wie Saoirse Ronan, Florence Pugh und Timothée Hal Chalamet auf. Hier scheint Gerwig ganz in ihrem Element: im Führen der Darsteller, im Verve des Miteinanders, der Lebendigkeit des Austausches. Alles spielt ineinander, ergibt eine Geschichte, die gleichermaßen komisch wie tragisch, postmodern wie klassisch ist – kurzum: ein Meisterwerk.

Tell her to make it short and spicy. And if the main character is a girl, make sure she’s married by the end. Or dead, either way.

Mr. Dashwood

Headerbild und Galerie: © Sony Pictures