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Magazin für Filmkritik

Fetischkino – „Sucker Punch“ von Zack Snyder

Entweder werde ich jährlich dümmer oder Sucker Punch ist doch ein ganz passabler Film. Der Einstieg ist jedenfalls klasse, ganz pointiert, vor allem rein visuell erzählt und stimmungsvoll begleitet von einer eigens für den Film produzierten Coverversion von Eurythmics‘ Sweet Dreams, gesungen von Hauptdarstellerin Emily Browning (mein Lieblingscover im Film: Where Is My Mind von Yoav und Browning). Dann geht’s ins Tollhaus, wo ein asozialer Oscar Isaac eine Mischung aus Pimp und Schwester Ratched mimt.

Überhaupt: Isaac ist ein starker Antagonist, changiert gekonnt zwischen kindlicher Unsicherheit und tyrannischer Ereiferung. Zugleich ist er keine reine Cartoonfigur, sondern ein ziemlich menschliches Arschloch und gerade in der porträtierten Menschlichkeit, in seiner Geltungs- und Liebessucht, so abscheulich, dass man stets auf der Seite von Babydoll und ihren Girls steht. Die verschiedenen Realitätsebenen führt Snyder gekonnt ein, findet tolle Übergänge und etabliert auch das Tanzen und das damit einhergehende Betreten der finalen Fantasy-Ebene ohne große, verklausulierte Erklärungen zu liefern.

Infantiles Fetischkino

Dann geht’s irgendwann mit den Kämpfen los. Das lass ich mir bei den Riesen-Samurais noch irgendwie gefallen, aber schon beim Zombie-Weltkrieg, spätestens aber beim Drachentöten und allerspätestens bei der futuristischen Zug-Klopperei verliert Snyder den emotionalen Kern seiner Geschichte aus den Augen. Trotz wechselnder Settings ist die Action repetitiv, zerdehnt die unkreativen Choreos entweder mittels Zeitlupe bis zur Ungeduld oder verliert sich in den abgehangendsten Filmklischees (Bullet Time, Dreipunktlandung). Ich teile weder Snyders Verständnis von Coolness noch von dynamischer Actioninszenierung, die sichtlich verschiedenen Games und Animes entlehnt ist.

Aber und dieses aber ist mit einem Ausrufezeichen zu verstehen: den ganzen Film zeichnet ein imponierendes Selbstbewusstsein im Umgang mit den eigenen Fetischen aus. Snyder kommentierte das einmal selbst: “Though it’s fetishistic and personal, I like to think that my fetishes aren’t that obscure. Who doesn’t want to see girls running down the trenches of World War One wreaking havoc?” Diese unverfrorene Herangehensweise an den Film ist Snyder größte Schwäche und größte Stärke zugleich. Das absurde popkulturelle Sammelsurium, das der Film auffährt – Hotte Lolita mit Katana, Mechs, Orks, Drachen, Roboter, Samurais mit Gatling-Guns – ist auf eine merkwürdige Weise ermächtigend, in dem Sinne, dass es die eigenen Fetische und Vorlieben eben nicht regressiv einzuhegen versucht, sondern in all ihrer Infantilität auslebt und feiert.

Sucker Punch weiß ziemlich genau, was er sein will und schämt sich nicht für die Fantasien, die er fantasiert. Die Vorstellung des Filmes von einer Ermächtigung durch die Kunst (das Tanzen) mag naiv sein und Snyders Vorliebe für Minirock-tragende Schulmädchen infantil – aber beides ist im Brustton der Überzeugung vorgetragen und vor allem: aufrichtig. Das ist, wenn schon geschmacklos, zumindest beachtenswert.

Header und Galerie: © Warner Bros. Pictures