Bildsucht

Magazin für Filmkritik

Halt in einer haltlosen Welt – „Transit“ von Christian Petzold

Georg (Franz Rogowski) und Marie (Paula Beer).

Petzolds rätselhaftester Film. Voller Dopplungen und Unschärfen. Beizeiten habe ich das Gefühl, dass die Verortung des Romans in die Gegenwart und die Parallelisierung zur Flüchtlingskrise nicht funktioniert, dann zieht mich Rogowskis Spiel und die als Wiedergängerin auftauchende Paula Beer wieder völlig in ihren Bann. Bei keinem anderen Film habe ich ein so eindringliches Gespür für den Ort, an dem sich die Figuren befinden, gleichwohl es sich ironischerweise um eine Transitzone handelt – einen Übergangspunkt. Marseille in den heißen Sommermonaten, die präzise Kameraarbeit von Hans Fromm und die klare, kräftige Farbpalette verschmelzen sich zu einem wunderschönen, aber trügerischen Sommerfilm. Die Sirenen klingen wie Echos aus der Vergangenheit, wirken bis ins Jetzt. Und die Menschen: sie verwechseln und vergessen, erinnern Details, genauso wie der Erzähler (Matthias Brandt), immer wieder falsch. Und Herr Brandt: bitte erzählen sie mir doch mein Leben. Keiner Erzählerstimme lausche ich lieber; einer, der Worte mit Bedacht wählt, dessen Sprache aber stets auf der Suche ist. Keine auktoriale Instanz, kein Halt, aber eine tröstende, warme Klangfarbe. Wo nichts sicher ist, die Säuberungen näherkommen und auf den Papieren nur noch der entscheidende Stempel fehlt, finden die Figuren ineinander Halt, verkriechen sich auf der Schulter, am Hals, auf den Lippen des anderen.


Header: © Piffl Medien