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Magazin für Filmkritik

Komplizierte Gefühle – „The Object of My Affection“ von Nicholas Hytner

George (Paul Rudd) und Nina (Jennifer Aniston) auf einer Parkbank.

The Object of My Affection macht es sich nicht einfach, wo andere RomComs in den Kitsch flüchten. Die Prämisse, „schwangere Frau (Nina: Jennifer Aniston) will ihr Kind mit ihrem schwulen Mitbewohner (George: Paul Rudd) großziehen, aber verliebt sich in ihn“, hat echte Konsequenzen, die sich nicht über eine pathetische Ansprache oder eine romantische Geste zum Filmende auflösen lassen. Stattdessen sehen wir Menschen, die sich miteinander zu arrangieren versuchen, um dem kommenden Nachwuchs ein sicheres Umfeld zu schaffen. Das ist oft berührend, manchmal lustig, aber immer mit einer mühelosen Leichtigkeit in Szene gesetzt. Es ist zur Abwechslung erfrischend zu sehen, wie Theaterregisseur Nicholas Hytner Szenen ganz oft im Ensemble filmt, statt andauernder Schnitt/Gegenschnitt-Kaskaden.

Das Resultat dieses Theateransatzes sind durchweg überzeugende Performances von Schauspielern, die im Ensemble Staging alles aus sich herausholen. Ganz oft sehen wir alle Darsteller einer Szene in einer einzigen Einstellung, was diesen die Möglichkeit bietet, ganz unmittelbar miteinander zu interagieren. Das erzeugt einen natürlichen Rapport, den man auch als Zuschauer, ob bewusst oder unbewusst, wahrnimmt. Die Natürlichkeit ihrer Darstellung rührt aber auch von den Dialogen her. Man merkt The Object of My Affection nämlich an, dass es sich um eine Buchverfilmung handelt – im besten Sinne. Zwischenmenschliche Beziehungen werden sehr reif erzählt und konsequent weiterentwickelt, immer mit einem lockeren Spruch auf den Lippen, aber nie die emotionalen Implikationen aus den Augen verlierend. Selbst die kleinsten Nebenfiguren, wie die eines Streifenpolizisten (Kevin Carroll), der Nina nach einem Diebstahl hilft, ist zutiefst menschlich gezeichnet und gespielt.

Was ist schon normal?

Im Film geht es vor allem um Vorstellungswelten des Normalen und alternative Lebensentwürfe, die von normativen Denkschemata abweichen. Der whatever works-Devise (schwangere Frau und schwuler Mann als Familienmodell) möchte man als progressiver Zuschauer sofort zustimmen, zugleich lernt man über den Verlauf der Handlung, das es so einfach nicht ist, wenn neue Gefühle und Beziehungsgeflechte die Gleichung beständig verkomplizieren. Dabei ist The Object of My Affection jedoch stets spezifisch und trifft keine allgemeingültigen Aussagen über die dargestellten Beziehungsmodelle.

Spezifisch ist auch das breite Figurenensemble und die dargestellten Gefühlswelten: neben Nina und George schwirren noch Ninas Stiefschwester Constance (Allison Janney) und ihr Ehemann Sidney (Alan Alda) durchs Bild, der biologische Vater von Ninas Kind Vince (John Pankow) oder auch der schwule Theaterkritiker Rodney (Nigel Hawthorne) und der Theaterstudent Paul (Amo Gulinello), den er kostenlos bei sich wohnen lässt (und in den er höchstwahrscheinlich verliebt ist). Als George und Paul eine Beziehung eingehen, berührt diese Entscheidung auch den einsamen, versnobten Rodney und die mittlerweile hochschwangere, gekränkte Nina. Die Auflösung dieses aufkommenden Konflikts liegt dann nicht darin, eine dieser Figuren als böswillig zu zeichnen und aus der Gleichung herauszunehmen, sondern in einem Kompromiss, der für alle (halbwegs) funktioniert.

Ein Genre-Lichtblick

Das mag recht öde klingen, für mich bildet dieser Film eine wohltuende Abwechslung im Sumpf, der das RomCom-Genre ist. Viel zu oft werden solche Filme über tausendfach gesehene Figuren- und Situationsschablonen erzählt, weil die Macher faul sind und weder den Zuschauer noch die eigenen Figuren in ihrer Komplexität ernst nehmen. The Object of My Affection bietet zudem die Chance, Hollywoodstars wie Aniston und Rudd in interessanten, dramatischen Rollen zu sehen, denen zur Abwechslung mal nicht die kitschigste Binse in den Mund gelegt wird. Wer also etwas fürs Genre übrig hat, sollte einen Blick riskieren – sei es nur für Paul Rudd und wie er während einer Tanzstunde lachend aus der Rolle fällt oder für den süßen Kinderchor, der am Ende You Gotta Be von Des’ree schmettert.


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