Neuanfang im Alten – „The Horse Whisperer“ von Robert Redford
Ich steh‘ auf gutes, altes Erzählhandwerk und Redford ist einfach ein verdammt guter Handwerker. Die Unfallszene mit den Pferden, die den eigentlichen Anstoßpunkt für die restliche Handlung bildet, ist bis heute beeindruckend gedreht und muss logistisch die absolute Hölle gewesen sein. Überhaupt, die langsame Annäherung an das traumatisierte Pferd setzt Redford behutsam in Szene und gibt ihr den nötigen Raum, um resonieren zu können (fast drei Stunden Laufzeit kommen nicht von ungefähr). Das Pferd ist hier nicht bloß Metapher für das Trauma seiner Reiterin Grace (Scarlett Johansson), die bei dem Unfall ihre beste Freundin verliert, sondern wird als eigenständiges Wesen ernst genommen. Dessen Rehabilitierung wird daher nicht allegorisch kodiert, sondern als eigenständiger Handlungsstrang parallel zu der seiner Reiterin und ihrer Mutter Annie (Kristin Scott Thomas) erzählt.
Die Mutterfigur ist ein weiterer Trumpf dieses Filmes: Thomas läuft an der Seite von Redford zu absoluter Höchstform auf und porträtiert glaubhaft die Wandlung von der dauergestressten, resoluten Karrieristin zu einer Frau, die sich und ihre Lebensentscheidungen in den Weiten Montanas grundlegend infrage stellt. Ihre Wandlung ist dabei kaum merklich und wird nicht über eine plumpe Montage abgekürzt, sondern wächst natürlich von Szene zu Szene, bis sie ihrem Habitus ganz deutlich abzulesen ist. Von einer Frau, die jeden Moment auf das Klingeln des Telefons wartet zu einer Frau, die der Sonne beim Untergehen zuschaut. Ihre rastlosen Bewegungen verlangsamen sich, die Anspannung fährt langsam aus ihren Schultern. Höhepunkt bildet der Tanz mit Redford zu sanfter Countrymucke. Wie Redford hier die Körper im Rhythmus zur Musik inszeniert und die langsame Annäherung von einer Geste zur nächsten erzählt, ist meisterhaft. Schuldgefühle, Begehren und Zweifel vereint in einer einzigen, tänzerischen Annäherung.
Bei so viel hinreißendem Melodram verzeihe ich auch Redfords gelegentlichen Hang zum Naturkitsch und zur Verklärung des „einfachen“ Landlebens (hier ist wirklich jeder super höflich, gut erzogen und gastfreundlich); Entbehrungen werden höchsten in Randnotizen vermerkt (die Frau von Toms Bruder würde so gerne mal nach Marokko). Folgerichtig ist darum auch Annies finale Entscheidung gegen das Leben mit Tom (Redford) auf der Ranch und für einen neuen Versuch mit ihrem Mann Robert (Sam Neill) und Grace in New York. Redford gibt dem Film damit jenes bittersüße Ende, das sich in den sehnsuchtsvollen und zugleich traurigen Blicken zwischen Tom und Annie bereits andeutet und entscheidet sich gegen das Hollywood’eske, maximal dramatische Finale der Buchvorlage, in dem Tom Grace vor einer Herde wilder Pferde rettet, ehe er selbst zu Tode getrampelt wird. Vor allem bleiben Redfords Figuren damit psychologisch glaubhaft. Das Ranchleben bleibt eine Fantasie vom Ausstieg, vom weißen Blatt Papier. Aber was dann? Viel mutiger ist es doch, dass Annie sich zum Neuanfang im Alten entschließt und damit für den Versuch, mit ihrer zerrütteten Ehe etwas vermeintlich Kaputtes wieder zu reparieren.
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