Zahnlose Satire – „Mickey 17“ von Bong Joon-ho

Seit Trumps erster Präsidentschaft bleibt auch das Kino nicht von seinen Wiedergängern verschont. Sei es der von Pedro Pascal verkörperte, größenwahnsinnige Geschäftsmann Max Lord aus Wonder Woman 1984 oder die dümmliche US-Präsidentin aus Don’t Look Up (Meryl Streep) – das liberale US-Kino ist voll von direkten (SNL) und indirekten Karikaturen und Parodien des Trump’schen Archetyps, ohne zur Analyse seines Phänomens je etwas Kluges beisteuern zu können. Stattdessen dürfen sich jene, die ihn verkörpern, einmal im vollen Bewusstsein ihrer moralischen Überlegenheit ins hemmungslose Over Acting stürzen. „Bissige Satire“ nennen das dann einige. Aber eigentlich ist das nur … zahnlos, ein sich vergewissern darüber, auf der richtigen Seite zu stehen, ein falsch verstandener Akt künstlerischen Widerstands. Und ohnehin stellt sich die Frage, wie sich noch eine Realität karikieren lässt, die sich bereits selbst aus jeder Realität geschossen hat.
Nun ist also Mark Ruffalo an der Reihe: er spielt den gescheiterten Politiker, Geschäftsmann und Missionskommandanten Kenneth Marshall. Irgendwo zwischen Fernsehprediger, Tech-Phantasten, Napoleon, Trump und Hitler angelegt, führt dieser eine Kolonisierungsmission in die Weiten des Alls an, die schließlich auf dem Schneeplaneten Nilfheim ihr Ziel findet. Hier soll nach dem Willen Marshalls die erste Amtshandlung darin bestehen, alle Insekten-ähnlichen Bewohner des Planeten restlos auszulöschen (Starship Troopers-Parallelen inklusive). Um das zu erreichen, will er sie vergasen und den Planeten anschließend mit reinen, weißen Menschen besiedeln … – Spätestens zu diesem Zeitpunkt dürfte jedem Zuschauer klar sein, wessen Geistes Kind dieser Marshall ist. An seiner Seite grimassiert sich übrigens eine Bräunungscreme-gebräunte Toni Collette um den Verstand und bereitet Soßen aus Alien-Schwänzen zu. Eine Art Horror-Best-Of aus Faschismus- und Kolonialgeschichte und amerikanischer Mediendiktatur.
Gegen die Pläne von Marshall formiert sich ein Widerstand um Mickey 17 und 18 (zwei Kopien eines Menschen, der als permanentes Versuchskaninchen, sogenannter Expendable, Verwendung findet und von Robert Pattinson gespielt wird) und dessen Freundin Nasha (Naomi Ackie), einer Sicherheitsagentin der Kolonie. Sie hält dem Con Man Marshall im Finale des Filmes einen wütenden Vortrag darüber, dass sie – die Menschen – doch die wirklichen Aliens auf Nilfheim seien und die Creeper, wie Marhsall die Insekten-ähnlichen Planetenbewohner selbstzufrieden betitelt, die eigentlichen Ureinwohner des Planeten. – Wow! Wenn das die Satire ist, von der alle reden, dann will ich nie wieder eine Satire sehen. Was will dieser Film sein? Eine Parabel auf die Kolonialgeschichte, den Wettlauf um Afrika oder die brutale Besiedlung der Amerikas durch die Europäer? Indem man genau das nacherzählt, nur um dann am entscheidenden Punkt einschreiten und die Verbrechen verhindern zu können? Das ist keine Satire oder kluge Parabel, das ist liberales Wish Fulfilment ohne einen einzigen fruchtbaren Gedanken.



Bong Joon-hos satirischer Ansatz hat schon in seinen anderen Amerika-Arbeiten Snowpiercer und Ojka nur selten funktioniert. Dort chargieren Jake Gyllenhaal und Tilda Swinton unter Pornobalken und Zahnprothese um die Wette. Die südkoreanische Sensibilität für Slapstick, körperliche Comedy und die Gleichzeitigkeit von Tragik und Komik übersetzt sich nur teilweise in dessen englischsprachige Arbeiten. Es wird immer noch aus jedem Frame ersichtlich, dass Bong ein sehr talentierter Filmemacher ist, und auch Mickey 17 ist weit entfernt von einem schlechten Film. Alle Darsteller haben sichtlich Spielfreude, die Prämisse um einen stetig neu gedruckten Robert Pattinson als ausgebeuteter Proletarier der Zukunft ist genial und Bong hat Comedy-Timing einfach raus.
Ein spaßiger SiFi-Nonsens ist das alles, toll designt und gespielt, aber leider auch ein sehr zahnloses Vergnügen. Kino für Gleichgesinnte, Hollywoods Selbstvergewisserung, am Ende aber wirkungs- und ziellos in der Beschreibung von in die Zukunft projizierter Gegenwart. Ganz am Ende, als es um die Schaffung einer Kolonie ohne den giftigen Einfluss Marshalls geht, also um die Utopien und Gegenentwürfe zu seinem rücksichtslosen Expansionsprojekt, da beginnt der eigentlich interessante Teil dieses Filmes. Doch Mickey 17 gefällt sich viel zu sehr in der Überzeichnung des Status Quo, um je etwas an ihm verändern zu können.
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