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Magazin für Filmkritik

Ewiger Rausch – „Bad Lieutenant“ von Abel Ferrara

Vampire haben es gut, heißt es an einer Stelle, die können andere aussaugen. Wir Menschen müssen dagegen von uns selbst zehren, bis nichts mehr übrig ist. Vom schlechten Polizeileutnant (Harvey Keitel) ist übrigens nicht mehr viel übrig: von Rausch zu Rausch torkelt er, doch die Euphorie ist längst verflogen. Das Koks, das Crack, das Heroin, der Alkohol – alles nur noch Treibstoff, um irgendwie weiterzumachen. Bis der eigene Körper auf die Grundfeste abgefackelt ist. Keitel spielt diesen drogenabhängigen, asozialen Polizisten als gespenstischen Wiedergänger – nie wirklich da, immer ein bisschen neben der Spur, freidrehend, gewalttätig, impulsiv, brodelnd.

Ferrara platziert ihn vor dreckigen Hauswänden und plastischen Tapetenmustern, beobachtet ihn, ohne sich ihm gegenüber je moralisch zu positionieren. Seine Reise fängt er mit den einfachsten Mitteln ein: echte Schauplätze, natürliches Licht, Handkamera. Das sieht aus wie Ende Siebziger, frühe Achtziger, ist aber 1992. Bad Lieutenant befindet sich in bester New Hollywood-Tradition, erinnert in seiner authentischen Klarheit an Filme wie Mean Streets, aber ohne dessen exzentrisches Figurenarsenal – und ohne den aufregenden Unterhaltungswert, den matten Glanz, den die kriminelle Unterwelt bei Scorsese trotz aller Ambivalenzen stets ausstrahlt.

Hier gibt es nichts mehr zu lachen. New York scheint in Drogen versumpft, die brutale Gewalt alltägliche Gewohnheit. Und unsere Hauptfigur: die glaubt an gar nichts mehr. Wenn sie je an irgendetwas geglaubt hat. Dieser nihilistische, spirituell heimatlose Wiedergänger sieht in der Aufklärung einer Vergewaltigung (an einer attraktiven, jungen Nonne, die Ferrara unangenehm exploitativ in Szene setzt), seine Chance auf Absolution. Nur eine Sache richtig machen. Gerechtigkeit herstellen. Es ist der letzte Versuch einer Figur, der wir 90 Minuten hilflos bei ihrer Selbstaufzehrung zusehen, nur eine Sache in dieser beschissenen Welt zum Guten zu wenden. Erst danach kann sie ausbrennen. Und der Rausch in der Stille verfliegen.


Headerbild: © Aries Films | LIVE Entertainment