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Magazin für Filmkritik

Geschenke für Gespenster – „Fearless“ von Peter Weir

Max Klein (Jeff Bridges) in einer Traumsequenz.

Gekappte Verbindungen

Ganz ungeahnt taucht in diesem Film der blauen Himmel und großen Weiten eine weihnachtliche, besinnliche Botschaft auf. In einer Shopping Mall ruft Protagonist Max (Jeff Bridges) die Mitüberlebende Carla (Rosie Perez) dazu auf, gemeinsam Geschenke für die Toten zu besorgen – inmitten des weihnachtlichen Shoppingterrors, der billigen Plastikdekorationen und der traurig dreinschauenden Weihnachtsmänner. Max und Carla kennen sich eigentlich nicht und sind doch auf intime Weise miteinander verbunden. Beide haben einen Flugzeugabsturz überlebt. Max verlor seinen Arbeitskollegen, Carla ihr zweijähriges Kind.

Beide Figuren sind auf ihre Weise traumatisiert, auf ihre Weise zu Gespenstern geworden, die nun verlorengeglaubt durch ihre alten Leben streifen. Max kauft also einen Werkzeugkoffer für seinen verstorbenen Vater, Carla Spielzeug für ihr totes Kind. Diese Geschenke ohne Beschenkte, ohne physischen Adressaten, verbildlichen ihr gestörtes Verhältnis zur Welt. Sie finden keinen kommunikativen Anknüpfungspunkt zu ihren Ehepartnern mehr, finden zu keiner Sprache, die beschreiben könnte, was sie erlebt haben. Wie weiterexistieren, wenn die Existenz derart radikal und derart plötzlich zur Disposition gestellt wurde? Wie Bedeutung, wo Sinn schöpfen?

Bilder der Sprachlosigkeit

Fearless spielt oft in einem Zwischenbereich. Zwischen Jenseits und Diesseits. Zwischen Traum und Realität. Zwischen Neuanfang und existenzieller Heimatlosigkeit. Kann man zurückkehren, wenn man fast gestorben ist? Oder bleibt etwas zurück? Geht vielleicht sogar etwas ein Stück voraus? Bringt die Nahtoderfahrung eine Gewissheit? Trost? Schuldgefühle? Peter Weir stellt sich ganz in den Dienst der Geschichte und der Fragen, die sie aufwirft. Und er findet atemberaubende, poetische Bilder für die Verschiebungen und Irritationen, die sich im Zwischenmenschlichen derer abspielen, die der Katastrophe gerade so entkommen sind.

Max und Carla tanzend zu Beethovens Für Elise, zwischen Einkaufsläden und Weihnachtsdekoration; Jeff Bridges Gesicht, wenn er eine reife Erdbeere isst oder den Kopf bei voller Fahrt aus dem Autofenster steckt; der wissende, schmerzliche, zugleich tröstende Blick, den Max der Frau seines verstorbenen Kollegen zuwirft, zwischen dem Gewühl und Gerede während eines Erntedankfest-Dinners. Oder einfach nur eine Ohrmuschel in Großaufnahme, die Kante eines Hochhausdaches, der unendlich blaue Himmel, der Lichtblitz, der über dem Rand des Flugzeugfensters aufblitzt. Oder (erneut) Jeff Bridges: jede Angst verloren, nickt er uns wissend zu. Ein Blick, der alle Begrenzungen überwindet. Der ganz unmittelbar in uns einfährt, der sagt: alles wird gut. Alles. Wird. Gut.

Headerbild und Galerie: © Warner Bros.