Bildsucht

Magazin für Filmkritik

„Lost in Translation“ – Erinnerungsbilder

Man könnte sagen: die Bilder dieses Filmes sind zu eigenen Erinnerungen geworden – zu Erinnerungsbildern. Die Erinnerung ist jene an eine Fantasie, die sich laufend reproduziert. Die Wahrheit ist natürlich die, dass nichts davon wirklich ist und doch transzendieren Szenen des Filmes bis in meine Wirklichkeit hinein – Tokio wurde so zu einem Sehnsuchtsort. Das Hotel wurde zu einem Sehnsuchtsort. Bar-Noir, Lounge-Jazz, Bill Murray schnippt lässig mit den Fingern, Suntory Time – das hat Klasse. Es ist auch tieftraurig dort zu sein, niederschmetternd gar, weil der Ort ins Bewusstsein ruft, wie flüchtig Kostbares manchmal unser Leben streift. An diesem Ort, diesem gottverdammten Ort. Jeden Tag gibt es frische Wäsche, Frühstück, brav nickendes Hotel-Personal. Alles erste Klasse für einen Star von Weltruhm. Hand in Hand mit den Annehmlichkeiten des Hotels geht die grausame Unverbindlichkeit, die Anonymität, die ständige Fluktuation, das mörderische Trainingsgerät, das einem den Fuß abreißt, wenn man nicht ganz genau aufpasst!

Das Hotel ist auch ein Paralleluniversum, ein unpersönlicher Zwischenraum, alternative Geschichte, alternative Zukunft, ein gefährlicher Türspalt, der sich öffnet, die Verlockungen freilegt und sich so plötzlich schließt, wie er sich geöffnet hat. Natürlich ist es auch ein transitorischer Raum, Schauplatz liminaler Phasen und spiritueller Schwebezustände, Illusion unendlicher Möglichkeiten. Ein nostalgischer Sehnsuchtsort, für mich, natürlich, aber auch für die Figuren auf der Leinwand, die sich finden und ebenso schnell wieder voneinander entfernen müssen. Platonisch – oder nicht. Romantisch – oder nicht. Auch die Beziehung der Hauptfiguren siedelt sich in einem solchen Zwischenbereich an. In diesem Zwischenraum, im Uneindeutigen, liegt die Kraft des Filmes, vom Verlorensein und vom Fündigwerden gleichermaßen erzählen zu können. Einfaches ist manchmal profund: die Suche hört nie auf. Auf dem Weg werden wir fündig.

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